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22. Einfluß des Radstandes auf die Lauffähigkeit der elektrischen Lokomotiven

Mit Rücksicht auf den ruhigen Gang der Lokomotiven muß die Entfernung der äußersten Achsen, d. h. der Gesamtradstand, möglichst groß gewählt werden.

Je größer aber der Abstand festgelagerter Achsen ist, desto mehr wird die Fahrt in Krümmungen erschwert, desto größer wird der Bahnwiderstand und die Abnützung der Bäder und Schienen wird vermehrt. Dementsprechend ist in den „Technischen Vereinbarungen“ festgesetzt worden, daß der feste Radstand folgende Maße nicht überschreiten darf:

3,200 m bei Krümmungen bis zu 180 m Halbmesser
3,800 250
4,800 400
5,400 500

Für Lokomotiven mit größeren Radständen ist die Verwendung von drehbaren oder verschiebbaren Achsen oder von Drehgestellen erforderlich.

Die bauliche Anordnung und Ausführung derartiger verschiebbarer Achsen ist außerordentlich mannigfaltig; die einzelnen Ausführungsformen streben alle dem Ziele zu, die Einstellung der Achsen in die Richtung des Krümmungshalbmessers beim Durchfahren von Gleisbögen möglichst zu erleichtern.

Natürlich kann hier nicht der Platz dafür sein, die einzelnen Bauarten zu erläutern, es mag vielmehr genügen, auf die wichtigsten Ausführungsformen nach Wesen und Zweck hinzuweisen.

In erster Linie hat die Beweglichkeit für die erste führende Achse, die zumeist eine Laufachse ist, große Bedeutung.

Sie wird als drehbare Achse nach der Bauart Nowotny oder als seitlich verschiebbare Achse nach der Bauart von Webb und Adams ausgeführt.

Bei der ersteren Bauart dreht sich die Achse um einen festen senkrecht angeordneten Zapfen, während die Adamsachse nur seitlich verschiebbar ist.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß einzelne führende und bewegliche Laufachsen besonders bei höheren Geschwindigkeiten Neigung zu Schlingerbewegungen besitzen, durch die der ruhige Gang der Lokomotive gestört wird. Um diesem Übelstand zu begegnen, verwendet man an Stelle der Einzelachsen zweiachsige Drehgestelle z. B. bei der Bauform 2—B—1, bei welcher die beiden vorderen Laufachsen in einem Drehgestell untergebracht werden. Hat man nur eine. Lautachse zur Verfügung, so kann man diese mit der nächsten Kuppelachse vermittelst eines deichselartigen Verbindungsgliedes zu einem Drehgestell vereinigen. Diese letztere Anordnung zeigt Fig. 153. welche das sog. Krauß-Helmholz-Drehgestell (DRP. 214 896) darstellt.

Die im Hauptrahmen gelagerte Kuppelachse dieses Drehgestells kann sich seitlich um 2 X 20 mm verschieben. Außerdem kann sich die Laufachse in der Geraden innerhalb geringer Grenzen für sich allein drehen; sie kann in wagerechtem Sinne etwas um einen über ihrer Achsmitte angebrachten senkrechten Drehzapfen schwingen. Hierdurch wird eine gleichmäßige Abnutzung der beiden Spurkränze der Laufräder erzielt.

Um bei der Fahrt in der Geraden die Laufachse rechtwinklig zur Fahrtrichtung zu halten, wird die Drehgestelldeichsel samt der Laufachse mittels einer Anpreßfeder, die gleichzeitig als Rückstellfeder dient, gegen zwei am Hauptrahmen vor dem Lagergehäuse der Laufachse angebrachte Widerlager angedrückt.

Um ferner den Seitenstoß beim Einfahren in eine Krümmung zu mildern, ist der Drehzapfen unter der elastischen Gegenwirkung dieser Feder im Drehgestellrahmen um jederseits 15 mm verschiebbar gelagert.

Da die Kuppelachse des Drehgestells verschiebbar ist, muß der Kurbelzapfen Welle als Kugelzapfen ausgebildet und die entsprechende Kuppelstange mit einem senkrechten Drehzapfen ausgestattet werden, damit sie den Verschiebungen der Kuppelachse folgen kann.

Eine etwas andere Bauart eines Deichselgestells Fig. 154 nach einer Ausführung von J. A. Maffei in München-Hirschau (DRP. 254 547).

Das Wesen dieser Bauart beruht darin, daß der Wagenkasten unabhängig vom Drehzapfen mittels Stützzapfen auf Lagerpfannen des Deichselgestellrahmens ruht.

Mit a ist der Hauptrahmen der Lokomotive, mit 6 das Deichselgestell bezeichnet. Der Hauptrahmen a ruht mittels zweier Stützzapfen c auf Lagerpfannen o des Deichselgestellrahmens b, während das Gestell durch den Drehzapfen d geführt wird, der gewöhnlich außerhalb der Ebene der Stützzapfen liegt. Seine Lage ist durch den Krümmungshalbmesser der Strecke und den Radstand der Lokomotive bestimmt. Die Lage der Stützzapfen ergibt sich aus der jeweilig vorgeschriebenen Achslast der Lauf- und der ersten Kuppelachse. Die Stützzapfen c sind halbkugelig ausgebildet, so daß sie beim Verdrehen des Deichselgestells je nach dem Krümmungshalbmesser der Strecke in den Lagerpfannen o gleiten können. Zur Sicherung eines guten Laufs in der Geraden dient eine Einstellvorrichtung, die aus Pufferfedern e und aus einem durch Bolzen / geführten Gleitstück g besteht. Dieses Gleitstück wird durch die Federn e gegen einen am Deichselgestellrahmen 6 sitzenden Anschlag h gedrückt und sucht nach dem Ausschwingen des Rahmens b diesen wieder in seine Mittellage zu bringen. Der Ausschlag des Gestelles & an dieser Stelle ist gering, die Federn e legen somit beim Auslenken „der Deichsel einen kurzen Weg zurück und ändern daher auch nur wenig ihre Belastung, so daß dadurch die Beweglichkeit des Gestelles nicht beeinflußt wird.

Die Deichselspitze l ist gegen die Kuppelachse i und deren Lager mittels Tragfeder k abgestützt. Das hintere Ende des Deichselgestellrahmens ruht mittels der Tragfedern n auf den Lagern der Laufachsen m. Ein Ausführungsbeispiel der genannten Firma für dieses Deichselgestell gibt Fig. 155.

Diese Figur läßt außerdem erkennen, daß die Kuppelachse eine geringe Verschiebbarkeit — um 22 mm nach jeder Seite — besitzt; dementsprechend kann das Kuppelstangenlager auf dem zylindrischen Kurbelzapfen der Kuppelachse gleiten. Man nennt derartige Achsen mit seitlicher Verschiebbarkeit Gölsdorf-Achsen. Durch ihre Anwendung wird, wie die schematische Darstellung in Fig. 156 zeigt, die Aufgabe, mehrfach gekuppelte Lokomotiven kurvenbeweglich zu machen, in einfachster Weise gelöst. Man ordnet einige der Kuppelachsen mit fester Lagerung an, während die übrigen verschiebbar sind.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß der elektrische Betrieb es gestattet, bei Lokomotiven mit einer verhältnismäßig großen Zahl von Kuppelachsen eine gute Lauffähigkeit dadurch zu sichern, daß die Lokomotive aus zwei kurzgekuppelten Einzelfahrzeugen zusammengesetzt ist, die beide von einem Führerstand aus gesteuert werden können, wie es z. B. bei der Lötschberg - Lokomotive (Kapitel V) der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft der Fall ist.

Weitere Einzelheiten über die bauliche Anordnung und Ausführung von Lauf- und Kuppelachsen sind aus den Abbildungen ausgeführter Lokomotiven im letzten Kapitel zu entnehmen.