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29. Die Einrichtungen zur Regelung von Zugkraft und Fahrgeschwindigkeit.

Für diese Regelung kommen abgesehen von der Änderung der Bürstenstellung beim Déri-Motor für den Vollbahnbetrieb zwei Möglichkeiten in Betracht, nämlich die Verwendung von Stufentransformatoren oder von Zusatztransformatoren. Letztere können mit festen oder verdrehbaren Wicklungen (Induktionsregler) ausgestattet sein.

a) Stufentransformatoren.

Die Sekundärwicklung des Transformators ist mit einer der Zahl der gewünschten Spannungsstufen entsprechenden Zahl von Abzweigungen versehen. Soll nun die Motorspannung geändert werden, so muß der Anschluß des Motors von der einen nach der anderen Abzweigung verlegt werden, ähnlich wie der bekannte Zellenschalter im Akkumulatorenbetrieb den Netzanschluß von der einen zur nächsten Schaltzelle verlegt. Ebenso wie beim Zellenschalter beim Übergang von einer zur anderen Schaltzelle ein Kurzschluß der abzuschaltenden Zelle eintritt, so tritt auch beim Stufentransformator beim Übergang von der einen zur nächsten Stufe ein Kurzschluß der zwischen den beiden Abzweigungen hegenden Transformatorabteilung auf, den man in ähnlicher Weise, wie es beim Zellenschalter bekannt ist, durch Schaltwiderstände begrenzen kann.

An einigen Beispielen soll der Schaltvorgang erläutert werden. In Fig. 184 ist T der Haupttransformator, A eine Drosselspule, die als Spannungsteiler wirkt, und M der Motor. Es sei zunächst Schalter a und m geschlossen, so daß M die volle Transformatorspannung erhält. Um die Spannung ohne Stromunterbrechung zu erniedrigen, wird b eingeschaltet und m geöffnet; jetzt ist die Windungsabteilung, welche zwischen a und b liegt, durch A geschlossen; darauf wird a geöffnet und n eingeschaltet, so daß nunmehr M unter der der Abzweigung b entsprechenden Spannung steht.

Bei Verwendung von zwei Motoren ist die in Fig. 185 dargestellte Schaltung anwendbar. Die beiden Transformatoren liegen vermittelst der Leitung o an der Oberleitung; R ist ein Schaltwiderstand. Beim Übergang von der niedrigsten Schaltstufe a resp. a' zur nächst höheren b resp. b' ergeben sich folgende Zwischenschaltungen.

1. Stufe: a a' geschlossen, R stromlos, beide Motoren haben gleiche Spannung.
2. Stufe: a offen, a' geschlossen; Strom fließt aus Stufe a' des Transformators T2 unmittelbar in den Motor M2 und über R und m nach M1. Die Spannung an ist um den Abfall in R kleiner als die an M2 herrschende.
3. Stufe: a' und b eingeschaltet. Motor bekommt Strom aus T1 und ebenso Motor M2 über R und m. Jetzt ist die Spannung an Motor M2 kleiner als die an herrschende. Außerdem fließt ein Kurzschlußstrom aus T1 über b, R, a' und m, der durch R begrenzt wird.
4. Stufe: a’ offen, b' eingeschaltet. Jeder Motor erhält jetzt die gleiche, den eingeschalteten Abteilungen b und b' entsprechende Spannung und R ist stromlos.

b) Induktionsregler.

Das Bestreben, die Änderung der Motorspannung nicht sprunghaft, sondern allmählich zu bewirken, führte zur Verwendung der sog. Induktionsregler, als welche man Transformatoren mit drehbarer Primär- oder Sekundärspule bezeichnet.

Über die Wirkungsweise derartiger Drehtransformatoren ist bereits in Abschnitt 8 ausführlich gesprochen worden, so daß es hier genügt, auf ihre Schaltung näher einzugehen. In Fig. 186 wird die gesamte Leistung für den Betrieb des Motors M aus dem festen Transformator T und aus dem mit T hintereinandergeschalteten Drehtransformator D entnommen. Die Sekundärspule von D ist drehbar gedacht und ihre Spannung E'2 vergrößert entweder je nach ihrer Stellung E2 oder verkleinert sie. Die Motorspannung kann also innerhalb der Grenzen E2 — E'2 und E2 + E'2 ganz allmählich verändert werden.

Soll beispielsweise die Spannung im Verhältnis 1 : 2 änderbar sein, so muß E2 — E'2 = ½ (E2 + E'2) sein, daher ergibt sich die Zusatzspannung E'2 zu ⅓ E2, und da ferner in beiden Sekundärwicklungen der gleiche Strom fließt, ist auch die Leistung von D ein Drittel von T.

Aus den Erörterungen in Abschnitt 8 geht hervor, daß bei Schrägstellung der Sekundärspule von D gegenüber der Primärspule sich nur ein Anteil der sekundären magnetomotorischen Kraft mit der primären verkettet, während der andere Anteil ein Streufeld erzeugt, das eine Phasenverschiebung zwischen E'2 und i2 hervorruft und auch die Phasenverschiebung im primären Stromkreise vergrößert. Um diesem Übelstande abzuhelfen, sind verschiedene Mittel vorgeschlagen worden, von denen als Beispiel das folgende erläutert werden soll.

Die Phasenverschiebung wächst um so mehr, je mehr sich der Verdrehungswinkel dem Werte 90° nähert, da in diesem Falle die magnetische Verkettung immer kleiner wird, so daß die sekundäre magnetomotorische Kraft vorwiegend ein Streufeld erzeugt. Dieses Streufeld kann man dadurch vernichten, daß man es auf eine kurzgeschlossene Spule transformatorisch wirken läßt. In Fig. 187 ist die grundsätzliche Anordnung eines Induktionsreglers im Schnitt dargestellt; 1—1 ist die feststehende primäre Spule und 2—2 die drehbare sekundäre Spule. Senkrecht zu 1—1 ist im Ständer des Reglers die kurzgeschlossene Spule K—K angeordnet, welche ebenso wirkt wie die kurzgeschlossene Ausgleichsspule des direkt gespeisten Reihenschlußmotors: das Streufeld wird durch sekundäre Rückwirkung bis zu demjenigen Betrage vernichtet, der nötig ist, um die für die Bestreitung der in KK auftretenden Spannungsabfälle erforderliche EMK zu induzieren. Dagegen kann die primäre Wicklung 1—1 nicht induktiv auf KK einwirken.

Wenn der Drehtransformator große Sekundärströme zu führen hat, wie sie im Vollbahnbetrieb auftreten, so empfiehlt es sich, die Wicklungsanordnung insofern zu vertauschen, daß die Sekundärspule feststeht und die Primärspule gedreht wird.

Die Verwendung eines Induktionsreglers bringt immerhin eine nicht unbeträchtliche Gewichtsvermehrung der elektrischen Lokomotiveinrichtung mit sich. Eine Verringerung dieses Gewichts läßt sich dadurch erreichen, daß man den Induktionsregler in Verbindung mit einem Stufentransformator benutzt, in welcher Anordnung der Regler dazu dient, einen allmählichen Übergang von einer zur anderen Schaltstufe zu bewirken.

Als Beispiel einer derartigen Anordnung diene Fig. 188.

Stufe 1. Die Abzweigungen a und d der Sekundärwicklungen der beiden Haupttransformatoren sind geschlossen und die Sekundärwicklung D des Drehtransformators ist so geschaltet, daß E2 gegen E1 gerichtet ist. Jeder Motor erhält die Spannung

e1 = ½ ( E1a + E1d — 2 E2 ).

Stufe 2. Durch allmähliche Drehung von D um 180° elektrische Grade wächst die Motorspannung auf den Wert

e2 = ½ ( E1a + E1d + 2 E2 ).

Stufe 3. Die Abzweigungen b und c werden eingeschaltet. Ein Kurzschlußstrom kann nicht entstehen, weil im Kurzschlußstromkreis a—b—c—d—D die elektromotorischen Kräfte gegengeschaltet sind. Hierbei ist Voraussetzung, daß die in den zwischen den Anschlüssen a—b resp. c—d auftretenden elektromotorischen Kräfte gleich denjenigen sind, die in den beiden Hälften der Sekundärwicklung D entstehen.

Stufe 4. Die Schalter a und d können jetzt funkenlos geöffnet werden. Da D noch in der Stellung der Stufe 3 steht, ist E2 der EMK E1 entgegengerichtet und die Motorspannung hat den Wert

e3 = ½ ( E1b + E1c - 2 E2 ) = e2

d. h. den gleichen Wert wie in Schaltstufe 3.

Durch allmähliche Verdrehung von D um 180° wird

e4 = ½ ( E1b + E1c + 2 E2 )

In diesem Beispiel ist angenommen, daß die Leistung des Induktionsreglers ⅛ der Gesamtleistung der beiden Transformatoren darstellt. Dann ergibt sich durch diese Schaltung die Möglichkeit, die Spannung im Verhältnis 1 : 2 zu ändern.

Würde man drei Schaltstufen verwenden, so müßte, um den gleichen Regulierbereich zu beherrschen, der Induktionsregler 1/12 der Gesamtleistung beider Transformatoren besitzen, bei vier Schaltstufen 1/16 der Gesamtleistung usf.

Aber es ist nicht zu verkennen, daß die Verbindung eines Induktionsreglers mit einem Stufentransformator sehr verwickelte Schaltanlagen ergibt, ein Übelstand, der den an und für sich einfachen Regler nur sehr beschränkte Verwendung im Vollbahnbetrieb hat finden lassen.

c) Zusatztransformatoren mit feststehenden Wicklungen.

Die Verwendung eines derartigen Transformators in Verbindung mit einem Stufentransformator ist bereits in Fig. 117 dargestellt worden, auf die an dieser Stelle hingewiesen wird.

Der Vorzug dieser, dort bereits im wesentlichen beschriebenen Einrichtung beruht darin, daß der eigentliche Motorstromkreis keine Schalter besitzt. Die Motorspannung wird lediglich durch Veränderung der Primärspannung des Zusatztransformators geregelt.

Ein weiterer Vorzug ist darin zu erblicken, daß die Phasenverschiebung durch den Zusatztransformator in bedeutend geringerem Maße beeinflußt wird als durch den Induktionsregler.

Als Nachteil ist wieder die Gewichtsvergrößerung durch den Zusatztransformator zu bezeichnen.

Die überwiegend große Mehrzahl der Lokomotiven ist mit Stufentransformatoren ausgerüstet, wobei die Stufenschaltung durch elektromagnetisch gesteuerte Fernschalter, sog. Schützen, die in möglichst großer Nähe des Transformators untergebracht sind, betätigt wird. Hierbei ist zu beachten, daß diese Schützen zur Vermeidung von Kurzschlüssen nur in bestimmt vorgeschriebener Reihenfolge geschaltet werden können, was dadurch erreicht wird, daß sie sich gegenseitig sperren und entriegeln. Ausführungsbeispiele für derartige Schützenschaltungen finden sich in Kapitel V.

Die große Zahl der erforderlichen Schütze mit ihren verwickelten Sperrvorrichtungen veranlaßte in jüngster Zeit die Maschinenfabrik Oerlikon, dieses Steuerungssystem zu verlassen und bei ihrer großen Lötschberglokomotive, die 2500 PS leistet, die Stufenschaltung durch eine Schaltwalze großer Abmessungen zu bewirken. Nach den bisher vorliegenden Berichten hat sie mit dieser Anordnung, die bereits in den ersten Jahren des Vollbahnbetriebs bei Lokomotiven kleinerer Leistung Anwendung gefunden hatte (z. B. auf der Strecke Murnau—Oberammergau) günstige Erfahrungen gemacht. Der Stufentransformator ist dabei mit der Schaltwalze zu einem einheitlichen Ganzen zusammengebaut und die Bewegung der Schaltwalze geschieht durch eine elektromagnetisch gesteuerte Klinkenvorrichtung, der die Schaltwalze mit einem plötzlichen Ruck von einer zur anderen Schaltstufe bewegt. Für die Stromunterbrechung bei diesem Übergang sind besondere, leicht auswechselbare Funkenziehstromschlußstücke vorgesehen1).

Ein abschließendes Urteil über die Brauchbarkeit dieser Steuerungseinrichtung kann erst dann gefällt werden, wenn die erforderlichen Betriebserfahrungen vorliegen. —

Die Schützensteuerung, die bei den Lokomotiven der deutschen Eisenbahnverwaltung fast ausschließlich zur Anwendung gelangt ist, verlangt zu ihrer Betätigung eine Schaltvorrichtung, durch welche die verschiedenen Schaltstufen eingestellt werden können. Diese Vorrichtung wird durchweg in der bekannten Form des sog. Fahrschalters oder Kontrollers ausgeführt, dessen wesentliche Teile die Schaltwalze und die federnden Schleifstücke darstellen, die auf der Walze, durch Federdruck angepreßt, aufliegen.

Die innere Einrichtung eines solchen Fahrschalters zeigt Fig. 189. Die aus einem isolierenden Stoff hergestellte Schaltwalze, welche durch eine Kurbel oder durch ein Handrad gedreht werden kann, trägt passend geformte Stromschlußstücke, mit welchen die Schleiffedern in Verbindung gebracht werden können. Letztere stehen durch Leitungen mit den zu schaltenden Stromkreisteilen, also den Schaltspulen der Schützenmagnete, in Verbindung, so daß einer bestimmten Stellung der Schaltwalze eine bestimmte Schaltverbindung entspricht.

Den Schaltplan eines Fahrschalters in grundsätzlicher Anordnung zeigt Fig. 190.

Hierin sind a, b, c usf. die feststehenden Schleiffedern, welche mit den Schalterspulen B, C, D usf. in Verbindung stehen. Letztere sind mit ihrer zweiten Klemme an die gemeinsame Leitung K angeschlossen, die mit Leitung A von einer Spannungsstufe des Haupttransformators T abzweigt.

Auf der Abbildung rechts neben der Reihe der Schleiffedern ist die Abwicklung der Schaltwalze mit ihren Stromschlußstücken dargestellt. Denkt man sich die Reihe der Schleiffedern a—h in die durch Linie 2 bezeichnete Lage gebracht, so geht ein Strom vom Transformator über a—a'—c'— c—C—K zum Transformator zurück.

Da nun der Motorstromkreis von jedem Führerstand aus gesteuert werden können muß, muß man entweder auf jedem Führerstand einen derartigen Kontroller einbauen, oder aber man stellt in der Mitte der Lokomotive einen einzigen Fahrschalter auf, dessen Walze von beiden Führerständen aus durch mechanische Übertragungsglieder gesteuert werden kann.

Die hier beschriebene Schützensteuerung bietet die Möglichkeit in dem Falle, daß mehrere Lokomotiven einen Zug zu schleppen haben, die Lokomotiven von einem einzigen Führerstand aus zu steuern.

Zu diesem Zwecke werden gemäß der grundsätzlichen Skizze Fig. 191 die Schleiffedern b—h sämtlicher Fahrschalter im Zuge durch Leitungen parallel geschaltet, wobei die Fahrschalter der einzelnen Lokomotiven durch Steckvorrichtungen miteinander gekuppelt werden, so daß die Motoren aller Lokomotiven von jedem Fahrschalter aus gemeinsam gesteuert werden können. Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß die gemeinsam zu steuernden Lokomotiven gleiche Schalteinrichtungen besitzen. Man bezeichnet diese Schaltanordnung als Vielfachsteuerung und den zur gemeinsamen Schaltung benutzten Fahrschalter als Meisterwalze.

Von einer Beschreibung der einzelnen Teile der Schalteinrichtung kann an dieser Stelle abgesehen werden, weil in den folgenden Abschnitten die Beschreibung ausgeführter Lokomotiven Gelegenheit bietet, auch auf die Ausführung der einzelnen Teile einzugehen.

Es möge an dieser Stelle nur noch bemerkt werden, daß bei der Bemessung der magnetisierenden Wicklungen der Schaltschützen darauf zu achten ist, daß diese auch bei verminderter Spannung — ⅔ der richtigen — noch mit Sicherheit ansprechen.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß in einzelnen Fällen auch Druckluftbetrieb der Einzelschalter zur Anwendung gelangt ist.

Fußnoten
1) Vgl. Abschnitt 37.