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38. Die Wiesentalbahn-Lokomotiven der Firma Brown, Boveri & Cie.

Für die Großherzogliche Generaldirektion der badischen Staatseisenbahnen in Karlsruhe, welche die 00 km lange Wiesentalbahn von Basel bis Zell und von Schopfheim bis Säckingen elektrisch betreibt, befinden sich bei der Brown, Boveri & Cie A.-G. in Mannheim-Käfertal zwei Stück 1—C—1 Vollbahnlokomotiven für den Eil- und Personenzugdienst in Fertigstellung bzw. in Probebetrieb. Diese Lokomotiven sind mit zwei Deri-Motoren von je 400 PS ausgerüstet und die Steuerung erfolgt lediglich durch Bürstenverschiebung.

Aus Fig. 220 ergibt sich die Anordnung dieser Steuerung, die durch Druckluft betätigt wird.

Die elektrischen Stromkreise sind zunächst folgendermaßen angeordnet:

Die Druckluftleitungen zeigen folgende Anordnung:

Zu den Einzelheiten der Schaltung ist folgendes zu bemerken. Die Steuerung wird durch zwei sog. Blindkontroller (12), Fig. 221, betätigt. Wird deren Handrad in der einen oder anderen Richtung gedreht, so werden, wie aus dem Schaltplan ersichtlich, die Bürsten der Motoren in der einen oder anderen Richtung verstellt. Ist Druckluft in dem Behälter 40 vorhanden, so wird zunächst das Ventil 43 geöffnet, durch welches die Stromabnehmer (2) Druckluft erhalten, die sich nunmehr aufrichten. Dreht jetzt der Führer das Steuerrad, so öffnet sich zunächst das Ventil 44, durch welches dem Hauptschalter 6 Druckluft zugeführt wird. Die Hauptleitung ist nun bei 5 geschlossen und die Motoren erhalten Strom. Bei weiterer Drehung der Kontrollerspindel bleibt das Ventil 44 offen.

In ähnlicher Weise wird der Heiztransformator durch das Ventil 54 eingeschaltet.

Der Hauptschalter 5 kann auf dreierlei Arten betätigt werden, nämlich einmal in der geschilderten Weise durch die Druckluftsteuerung 6, das andere Mal kann er ausgeschaltet werden durch das Höchststromrelais 8, welches durch den Stromwandler 7 gespeist wird, und schließlich erfolgt ebenfalls die Auslösung, wenn das Relais 9 stromlos wird, wenn also die Spannung verschwindet. Zu diesem letzteren Relais ist noch ein zweites Relais (9) parallel geschaltet, das im magnetisierten Zustande den Raum verriegelt, in welchem die Hochspannungsapparate untergebracht sind. Dieser kann demnach nur dann geöffnet werden, wenn die Lokomotive spannungslos ist.

Die beiden Reihenschlußmotoren für den Antrieb der Ventilatoren sind in Reihe geschaltet, so daß auf jeden Motor die Spannung 110 Volt entfällt. Sowohl die Ventilatoren als auch der Beleuchtungsstromkreis und der Drucklufterzeuger können durch Umschalter 25, 29 und 19 von beiden Führerständen aus eingeschaltet werden.

Auf jedem Führerstand sind 6 Meßinstrumente angebracht, nämlich
  2 Luftdruckmesser
  1 Dampfdruckmesser für den Heizkessel (23)
  1 Spannungsmesser an den 200-Volt-Transformator (14) angeschlossen,
  1 Strommesser für den Haupttransformator (10)
  1 Strommesser für den Heiztransformator (22).

Die übrigen Einzelheiten der Steuerung dürften sich nach den früheren Erörterungen von selbst erläutern. Zu bemerken wäre noch, daß die Ausblaseleitung 56 einen Schlauchanschluß besitzt, um die Motoren entstäuben au können.

Eine Handluftpumpe, die auf dem im Schaltplan links liegenden Führerstand untergebracht ist, bietet die Möglichkeit, die Stromabnehmer aufzurichten, wenn im Behälter 40 noch keine Druckluft vorhanden ist.

Die bauliche Anordnung dieser Lokomotive zeigt Fig. 222. Aus dem Grundrißschnitt ist die Achsenanordnung in ihren Einzelheiten zu erkennen. Die vordere Achse ist eine Adams-Achse, die seitlich verschiebbar ist, und zwar ist die Mittellinie dieser Achse stets die Sehne eines Kreises, der durch die Lagermitten geht. Kräftige Rückstellfedern sorgen dafür, daß die Achse stets wieder in ihre Mittellage zurückschwingt, sobald die Lokomotive die Gleiskrümmung verläßt.

Die drei Kuppelachsen sind fest gelagert und die Schleppachse ist eine Drehachse, die um einen vertikalen Zapfen schwingt.

Die mittlere Kuppelachse ist Treibachse, und zwar erfolgt die Kraftübertragung von den beiden Motoren aus durch den sog. Zweistangenantrieb. Der Stangenkopf auf dieser Treibachse ist als Schlitzkurbel ausgebildet, um dem Federspiel Rechnung zu tragen. Die aus dem Längsschnitt erkennbaren Einzelheiten erläutern sich von selbst an Hand des Schaltplanes und unter Zuhilfenahme der in Fig. 223 dargestellten drei Querschnitte der Lokomotive.

Der Stromabnehmer ist bereits in Fig. 176 a abgebildet worden. Zwischen den beiden Motoren, und zwar oberhalb dieser liegt die durch das Nullspannungsrelais verriegelte Hochspannungskammer. Diese Kammer wird ebenso wie die beiden Motoren, durch die beiden Ventilatoren gelüftet. Sie enthält 2 Ölschalter, 1 Stromwandler und den kleinen Transformator von 7 kVA. Der eine von diesen Ölschaltern ist für den Heiztransformator, der andere für den kleinen Transformator bestimmt.

Der Hauptausschalter für den großen Leistungstransformator befindet sich unmittelbar neben diesen und ist nur zugänglich durch eine besondere elektrisch und mechanisch verriegelte Tür.

Im Motorraum befindet sich noch ein Dampfkessel für Zugheizung. Das Wasser wird in 2 seitlich unter dem Wagengestell angebrachten Wasserbehältern von je 450 l Inhalt mitgeführt.

Die verschiebbaren Motorbürsten sind zu je zwei durch eine Kupfer-Schiene fest verbunden und sind unter einen elektrischen Winkel von 156° fest eingestellt. Jedes dieser kurzgeschlossenen Bürstenpaare ist an einem drehbaren Eisenring befestigt, mittels dessen sämtliche Bürsten gleichzeitig verdreht werden. Die zweite Bürste des einen kurzgeschlossenen Bürstenpaares und die erste des nächsten Paares sind also um 180—186 = 24° elektrisch verschoben.

Die Motoren besitzen je zwei Kollektoren, was erstens den Vorteil besserer Gewichtsverteilung bringt und die Möglichkeit bietet, die einzelnen Kollektorlamellen kräftiger zu gestalten.

Neben dem hinteren Führerstand steht der Haupttransformator und neben dem vorderen Führerstand der Heiztransformator. Auf den Motoren sind die beiden Ventilatoren untergebracht, während der Drucklufterzeuger hinter dem Transformator hegt.

Die Betriebsverhältnisse und Hauptabmessungen dieser Lokomotive sind folgende:

Triebraddurchmesser 1480 mm
Laufraddurchmesser 990 „
Fester Achsstand 3600 „
Ganzer Achsstand 8100 „
Länge über Puffer 12000 „
Größte Breite 3110 „
Höhe des Fahrdrahtes über S. O. 4850 bis 6000 „
Fahrdrahtspannung 15000 Volt
Motorspannung 1200 „
Polzahl pro Motor 10
Minutliche Drehzahl 180
Gesamtgewicht 70 t
Reibungsgewicht 43,4 t
Normale Zuglast 220 t
Stundengeschwindigkeit 60 km

(Bei den Probefahrten erreichte die Lokomotive mit einer Belastung von 265—300 t eine Geschwindigkeit bis zu 70 km/st.)