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35. Lokomotive 1—B + B—1 der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft.

Diese Lokomotive ist in Fig. 204 in Ansicht und Schnitt dargestellt. Während die elektrische Ausrüstung von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft geliefert wurde, wurde der mechanische Teil durch die Lokomotivfabrik von Krauß & Co. in München ausgeführt.

Nach den Vorschriften muß die Lokomotive folgenden Bedingungen genügen:

  • Spurweite 1430 mm
  • Fahrdrahtspannung 15 000 Volt
  • Wellenzahl 15 in der Sekunde
  • Höchste Fahrgeschwindigkeit 75 km/Stunde
  • Kleinster Krümmungshalbmesser auf freier Strecke 260 m
  • Kleinster Krümmungshalbmesser in Bahnhöfen 180 m
  • Größte Anfahrzugkraft am Triebradumfang 13 500 kg
  • Zugkraft am Haken während einer Stunde bei rund 40 km/Stunde 8000 kg.

Auf einer Steigung von 27 ‰ soll ein Zug von 250 t Wagengewicht mit 40 km/St., auf einer Steigung von 15,5 ‰ ein Zug von 400 t Wagengewicht mit gleicher Geschwindigkeit eine Stunde lang befördert werden können. Bei diesen Belastungen muß eine Anfahrbeschleunigung von mindestens 0,06 m/sek² erreicht werden können.

Die Lokomotive ist diesen Anforderungen entsprechend gebaut, und zwar so, daß sie sowohl als Güterzuglokomotive wie auch als Personenzuglokomotive verwendet werden kann.

Bei einem zugelassenen höchsten Achsdruck von 17 t wurden zur Erreichung der geforderten höchsten Anfahrzugkraft vier Triebachsen erforderlich, Um bei dieser verhältnismäßig großen Zahl der Kuppelachsen eine gute Lauffähigkeit und Beweglichkeit des Fahrzeuges in den Gleiskrümmungen zu erreichen, wurde die gesamte Leistung auf zwei kurzgekuppelte Hälften verteilt und außerdem erhielt die Lokomotive führende Laufachsen, die mit den benachbarten Kuppelachsen zu je einem Krauß-Helmholtz-Drehgestell vereinigt sind, das bereits in Fig. 153 abgebildet worden ist.

Die Kurzkupplung besteht aus einem starren Zugeisen und zwei Notschleifen, sowie aus zwei Puffern mit keilförmig flachen Köpfen, die durch eine nachspannbare Blattfeder auf die zugehörigen Druckflächen gepreßt werden.

Die Abmessungen der Lokomotive sind aus der Abbildung ersichtlich; der Treibachsdruck beträgt 17t, der Laufachsdruck 12,5t; die elektrische Ausrüstung wiegt 49 t und die fertige Lokomotive 93 t. Das Reibungsgewicht beträgt 68t und die Motorstundenleistung 2×800 PS. —

Auch die Einzelheiten des Triebwerkes sind aus den Schnittzeichnungen zu ersehen; es möge noch bemerkt werden, daß die seitliche Verschiebbarkeit der Klippelachse des Drehgestells die Anordnung eines senkrechten Drehzapfens in der Kuppelstange und eines Kugelzapfens an der Kuppelachse bedingte. Alle Köpfe der Trieb- und Kuppelstange sind in der Stangenrichtung nachstellbar, während das Blindwellenlager sowohl in senkrechter wie auch in wagerechter Richtung nachgestellt werden kann. Der Maschinenraum ist nach oben durch ein Blechdach abgeschlossen, das mit dem Stromabnehmer entfernt werden kann, um die Motoren bequem ausbauen zu können.

Im Maschinenraum befindet sich auf jeder Lokomotivhälfte eine Motorluftpumpe mit einer Leistung von 7 PS (vgl. Fig. 205). Außerdem enthalt eine Lokomotivhälfte einen Wechselstrom-Gleichstromumformer nebst Akkumulatorenbatterie von 2×9 Elementen mit einer Kapazität von 81 Amperestunden, zur Speisung von drei Signallampen an den Stirnwänden, zwei Lampen für Innenbeleuchtung und für eine tragbare Handlampe. Die Kühlluft für den Motor tritt durch die teilweise aus gelochtem Blech gebildeten Seitenwände ein und entweicht durch große auf dem Dach befindliche Lüftungsaufsätze.

Die Einrichtung des Führerraums zeigt Fig. 206.

Auf der rechten Seite, in der Fahrtrichtung gesehen, befindet sich der für gewöhnlich benutzte Führerstand. Ein zweiter Führerstand liegt auf der linken Seite und enthält einen Fahrschalter und ein Bremsventil. Dieser Führerstand wird in der Regel nur für Rangierzwecke benutzt.

In der Mitte des Führerraums ist eine Schalttafel untergebracht, welche die Schalter und Sicherungen für die Heiz- und Beleuchtungsstromkreise, ferner für den Luftpumpenstromkreis und für den Steuerstrom trägt.

Der Hauptführerstand enthält ferner noch die Druckmesser für die Bremse, die Spannungs-, Strom- und Leistungsmesser und schließlich einen Geschwindigkeitsmesser.

An die Rückwand des Führerraums schließt sich der Schützenraum an, der feuersicher und schalldämpfend ausgekleidet ist. Die in ihm untergebrachten Steuerschütze sind durch drei Drehtüren von vorne und von hinten leicht zugänglich. Eine Ansicht dieses Baums gibt Fig. 207.

In jedem Motorraum ist ein achtpoliger Motor von 800 PS Stundenleistung, Bauart Winter-Eichberg, untergebracht, der vollständig offen gebaut ist. Das Motorgehäuse ist unmittelbar auf kräftigen Rahmenquerträgern festgeschraubt. Der Läufer ist, wie bereits in Abschnitt 28 erläutert, besonders gelagert und besitzt eine einfache Kissenschmierung der Lager. Die Kurbeln der Motorwelle sind durch ein Blechgehäuse vollständig verschalt.

Die beiden Transformatoren sind zum Zwecke einer wirksamen Kühlung frei auf den beiden äußeren Enden der Lokomotivhälften aufgestellt und ihre Befestigung auf dem Lokomotivrahmen kann leicht gelöst werden, damit der Transformator zu Ausbesserungszwecken abgehoben werden kann.

Auf dem Deckel des Transformatorgehäuses befinden sich die Kabelausführungen. Die Kabel selbst werden durch einen Kanal unterhalb des Führerraums in den Schützenraum geführt.

Vom Stromabnehmer gelangt der hochgespannte Strom zunächst in den unter dem Lokomotivdach angebrachten Hochspannungsschalter (Fig. 208), der so angeordnet ist, daß er mit Ausnahme seiner Betätigungsgriffe zum Ein- und Ausschalten, vom Führerraum aus völlig unzugänglich ist.

Jeder der beiden Schalter kann außer von Hand auch von beiden Führerständen aus durch Druckknöpfe mittels elektrischer Fernbetätigung ein- und ausgeschaltet werden.

Die Schaltung der Lokomotive ist in ihrer grundsätzlichen Anordnung in Fig. 209 dargestellt, deren Wirkungsweise an Hand der in Abschnitt 29 angestellten Erörterungen zu überblicken ist.

Der Motor besitzt neben der Ständerarbeitswicklung F noch eine Wendepolwicklung w, die durch ein Schütz bei hohen Geschwindigkeiten an eine Schaltstufe w des Erregertransformators, der als Spartransformator ausgebildet ist, gelegt wird. Durch diesen Spartransformator mit regelbarem Übersetzungsverhältnis werden die Erregerbürsten des Motorläufers gespeist. Die Stufenschaltung geschieht sowohl beim Haupttransformator wie auch beim Erregertransformator durch Vermittlung einer Drosselspule. Die Drehrichtung des Motors wird durch Umkehrung der Stromrichtung im Erregerkreise geändert.